Grünräume Kinderspital
Projekt
Burghölzli
Das neue Kinderspital hat bereits vor ein paar Monaten den Betrieb aufgenommen und mittlerweile ist auch die Umgebungsgestaltung abgeschlossen. Für uns der Zeitpunkt für eine kritische Auseinandersetzung über die Grünflächen um das Spital.
Zuerst möchten wir uns ganz herzlich beim Büro August & Margrith Künzel Landschaftsarchitekten AG und dort insbesondere Margrith Künzel und Matthias Koger, sowie beim Gesamtprojektleiter und Vertreter der Bauherrschaft Thomas Hardegger bedanken. In den vergangenen Jahren nahmen sie sich ungefähr einmal pro Jahr Zeit, um unsere Präsidentin Christine Dobler Gross und den Geschäftsführer Jonas Landolt über den aktuellen Stand der Planung der Umgebungsgestaltung zu informieren. An diesen Treffen hatten wir die Möglichkeit, Fragen zu stellen und unsere Anregungen und Wünsche einzubringen.
Diesen Text gaben wir ihnen zum Gegenlesen, um allfällige Korrekturen und Anmerkungen anzubringen. Die Anmerkungen sind nachfolgend farblich markiert.
Schon ganz zu Beginn erstellten wir ein Dokument mit unseren Anliegen und Möglichkeiten die Biodiversität effizient und zielgerichtet zu fördern. Was davon aufgenommen und dann auch umgesetzt wurde, blieb aber natürlich die Entscheidung des Landschaftsarchitekturbüros und der Bauherrschaft. Die Umsetzung der Gestaltung erfolgte durch Richard Gartenbau. Die Spitalgebäude wurden durch Herzog & de Meuron entworfen.
Öffentlich nicht zugängliche Rückseite des Spitals mit einer artenreichen Bepflanzung und einem tollen offenen Charakter
Die Wiesen um den Forschungsturm sind stark grasdominiert und blütenarm. Das hängt vermutlich mit dem eher (zu) nährstoffreichen Boden zusammen.
Der Fussweg zur PUK wird von Wandkiesflächen gesäumt. Diese ermöglichen tolle Blühflächen als Wegsaum. Im Hintergrund ist der nährstoffreichere Boden im Obstgarten zu sehen.
Toll finden wir hingegen, dass der Fussweg zum Balgrist neben dem Forschungsgebäude von Wandkiesflächen gesäumt wird. Nun müssten diese Bereiche noch mit einem Ruderalflächen-Saatgut begrünt werden und schon ist dort ein wunderbarer Blütensaum möglich, der durch eine andere Artenzusammensetzung das Blütenangebot der Wiesen sehr gut ergänzt. Ausserdem bieten sie Wildbienen und weiteren Arten Bodennistplätze, die eine Wiese nicht bietet. Auf beides hatten wir bereits in unserer ersten Empfehlung hingewiesen. Was aus unserer Sicht noch fastganz fehlt, sind Kleinstrukturen.
Anmerkung Landschaftsarchitektur: In den Rosen- und Ligusterheckenbereichen sind diese vorhanden, könnten jedoch noch an weiteren Orten erstellt werden.
Diese würden Igel, Hermelin und Co. wichtige Verstecke bieten. Gerade letzteres ist in Obstgärten äusserst wertvoll für die Bekämpfung von Wühlmäusen, welche die Wurzeln von Obstbäumen anfressen und diese massiv schädigen können. Hermeline wurden in den letzten beiden Jahren mehrfach beobachtet in der Umgebung. Aus unserer Sicht könnten solche Strukturen auch mitten im Obstgarten angelegt werden, und falls das aus gestalterischer Sicht nicht gewünscht ist, sehen wir in den Gebüschen und in den Randbereichen gute Möglichkeiten.
Im Hintergrund ist schön zu sehen, wie mit Geländemodellierungen gearbeitet wurde. Das würden wir auch für die Wandkiesfläche mit Sandlinse im Vordergrund empfehlen. So läuft man nicht mehr darüber und die Sandlinse wächst weniger schnell ein.
Das ökologische Potential dieser Fläche ist sehr gross. Bisher wurde sie nur mit Magerweisen-Saatgut eingesät. Wir würden sehr empfehlen hier noch mit Ruderalflächen- oder Buntbrachen-Saatgut zu ergänzen, um den ökologischen Wert zu erhöhen.
Besonders gespannt sind wir auf die Entwicklung der steilen Böschung unterhalb der Restaurantterrasse. Das ökologische Potential ist hier sehr gross. Leider wurden die Grünräume bisher nur mit unterschiedlichen Wiesenmischungen angesät. Damit wird das ökologische Potential nicht ausgeschöpft. Natürlich sind Blumenwiesen wichtig und wertvoll, aber das Pflanzenartenset ist beschränkt und durch die mindestens zweimal jährlich stattfindende Mahd verändern sich die Lebensräume für die Tiere innerhalb weniger Minuten dramatisch. Deshalb sollten Wiesen immer auch mit anderen Lebensräumen wie Ruderalflächen, Buntbrachen und Staudenbeeten ergänzt werden, in den andere Pflanzenarten wachsen, was eine höhere Insektendiversität ermöglicht.
Anmerkung Landschaftsarchitektur: Es gibt hier Staudenflächen. Diese sind (noch) nicht angewachsen. Bei Bedarf werden diese ersetzt. Arten: Anthericum liliago, Carex montana, Coronilla coronata, Hippocrepis comosa, Dictamnus albus, Dipsacus fullonum, Laserpitium siler, Melica ciliata, Ononis spinosa. Weiter gibt es zur Böschung Nachbargrundstück unterhalb des Weges Staudenflächen mit Buglossoides purpurocaeruleum, Geranium sanguineum, Hedera helix, Ononis spinosa und Teucrium chamaedrys.
Dort wachsen andere Pflanzenarten, und ohne Gras ist dort keine Mahd notwendig, wodurch beispielsweise die Stängel von Karden, Königskerzen und anderen dicken Markstängeln stehen bleiben können und so wichtige und wertvolle Nistmöglichkeiten für Wildbienen und weitere Arten darstellen. Die steile Böschung bietet eine wunderbare Gelegenheit, noch eine blumenreiche Ruderal-Brachfläche anzulegen und damit das Potenzial des Standorts besser auszuschöpfen. Gerade in diesem Bereich gefallen uns auch die vielen Strauchkronwicken sehr gut, hingegen können wir mit den Eiben sowohl ästhetisch als auch ökologisch nichts anfangen an diesem Standort.
Klatsch-Mohn und Kornblume sehen wunderbar aus, aber von der eigentlichen Wiesenansaat ist hier noch nicht viel zu sehen.
Im Unterschied zu den Wiesen um das Forschungsgebäude scheint der Bodenaufbau auf der Seite der Tennisplätze magerer. Aktuell blühen in der Ecke des Fusswegs Lengghalde Klatschmohn und Kornblume sehr schön, allerdings sind das keine Wiesenarten, sondern «Acker-Beikräuter» bzw. Ruderalarten. Eingesät wurde gemäss unseren Informationen ebenfalls eine Wiese. Momentan sieht es aber so aus, als hätte die Ansaat nicht besonders gut funktioniert. Das kann je nach Witterung passieren und gegebenenfalls eine zweite Ansaat erforderlich machen. Ebenfalls artenreich begrünt wurden die Dachflächen, allerdings hatten wir dort keinen Zugang.
Ob die kleinen Wurzelballen die grossen Kronen in einem heissen, trockenen Sommer mit genügend Wasser versorgen können, wird sich zeigen. Wir hoffen, dass es gut kommt! Die Landscshaftsarchitektinnen und -architekten sowie die Bauherrschaft sind sich sicher!
Abgesehen vom Bereich der Restaurantterrasse wurden nur einheimische Gehölze gepflanzt, was eine erfreuliche Anpassung gegenüber den ersten Konzepten ist, schliesslich kann unsere Fauna vier mehr mit den hiesigen Pflanzen anfangen als mit irgendwelchen Exoten. Bei den Sträuchern hätten wir bei den Pflanzabständen noch etwas stärker auf deren Grösse in ein paar Jahren geachtet. Jetzt wurden die Sträucher mit einem konstanten Abstand gepflanzt, wodurch gewisse Arten in Zukunft zu wenig Platz haben werden. Die Dornensträucher pflanzen wir hingegen in der Regel noch dichter, damit ein richtiges Dickicht entsteht, welches Vögeln katzensichere Brutplätze bietet.
Gespannt sind wir, wie die sehr gross gepflanzten Bäume den ersten Sommer überstehen werden. Natürlich ist es toll, wenn bereits von Beginn an grosse Bäume dastehen. Allerdings steht deren Wurzelvolumen durch die grosse Pflanzung in einem Missverhältnis zum Kronenvolumen, sprich im Sommer kann es passieren, dass die wenigen Wurzeln nicht nachkommen mit der Versorgung der Blätter mit Wasser. Die Sträucher schneiden wir jeweils zurück nach der Pflanzung, damit das Blattvolumen im Verhältnis zur Wurzelmasse nicht zu gross ist und die Sträucher bei längerer Trockenheit nicht eingehen oder gewässert werden müssen.
Anmerkung Landschaftarchitektur: In der Anwuchsphase wird eine erhöhte Pflege und Betreuung durch den Unterhalt nötig sein. Der Bauherrschaft war aber eine von Beginn weg positive Beeinflussung des Mikroklimas wichtig.
Analog zum Grünraum um das Forschungsgebäude fehlen auch um das Hauptgebäude noch Kleinstrukturen. Wirklich wichtig wären Igelunterschlüpfe in den Hecken, aber auch über den einen oder anderen angebohrten Totholzstamm als Wildbienen- und Insektennistplatz würden wir uns freuen. Für beides haben wir unsere Unterstützung bei der Erstellung angeboten.
Tolle Gestaltung mit den riesigen Findlingen in Kombination mit wertvollen Magerstandorten und Sandlinse rundherum. Die Umgebungsgestaltung des Kinderspitals setzt neue Massstäbe!
Unsere Ansprüche sind hoch, denn wir möchten immer möglichst das Maximum für die Biodiversität herausholen, weshalb wir doch noch die eine oder andere Verbesserungsmöglichkeit sehen. Dies auch im Hinblick darauf, dass alle Spitäler und Kliniken in der Umgebung Ausbaupläne haben und wir auch dort bei den Umgebungsgestaltungen genau hinschauen möchten und werden. Wie eingangs geschrieben, freuen wir uns sehr über den hohen ökologischen Wert der Grünräume. Entscheidend wird nun auch die richtige Pflege sein. Nur so werden die Grünräume ihren Wert erhalten und im Laufe der Zeit steigern. Im Sinne der kranken und genesenden Kinder sowie deren Eltern haben wir mehrmals darauf hingewiesen, dass bei der Pflege der Umgebung stark auf verringerte Lärmemissionen geachtet werden sollte. Man stelle sich die jungen Patient:innen vor, wenn ein Morgen lang Laubbläser- und Fadenmäher-Lärm anstelle von Vogelgezwitscher durch das offene Fenster gelangt. Alternativen und gute Beispiele gibt es genügend: Die Gärtnerei der Schweizerischen Epilepsie-Klinik setzt beispielsweise bewusst motorisierte, lärmende Geräte nur sehr beschränkt ein und der Gärtner der Schulthess Klinik mäht mit einem elektrischen Balkenmäher, den man kaum hört.
Der fast lautlose, elektrische Balkenmäher, welchen der Gärtner der Schulthess Klinik zum Mähen mietet, schont die Nerven der Patient:innen, Mitarbeiter:innen und Kleintiere.
Wir hoffen, dass sich einerseits Richard Gartenbau bei der Bewirtschaftung in den kommenden Jahren an diesen lärmarmen und faunaschonenden Techniken orientiert und dass sich andererseits die anderen Klinikareale bei ihren Gestaltungsplänen am Kinderspital ein Vorbild nehmen, was den ökologischen Wert der Grünräume betrifft. Gerne stehen wir auch da zur Verfügung, mit unserem Wissen und unserer Erfahrung, das Maximum für die Biodiversität herauszuholen, ohne dabei die Ansprüche der Patient:innen, deren Angehörigen und Mitarbeitenden zu vergessen.
Text und Bilder: Jonas Landolt
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